08.05.2007

Sven Fischer hört auf: Hochzeit im Visier

"Ich werde irgendwann sagen: Das war mein letztes Rennen." Typisch "Fisch". Ohne Spekulationen. Ohne Abschiedszeremonie. Und ohne Abschiedsrennen. Ja, es ist diese bescheidene Art, mit der sich Sven Fischer gestern auch von der Biathlon-Bühne verabschiedet hat. Ein Großer geht still und leise.

OBERHOF. Der Massenstart am 18. März in Khanty Mansiysk war auch sein letztes Rennen. Dass er seinen Abschied im Gegensatz zu Ricco Groß und Katrin Apel nicht angekündigt hat, überrascht nicht. Sven Fischer bleibt sich treu. Auch beim Abschied. Das Aufsehen um seine Person hat er nie gemocht. "Ich bin eines Tages einfach weg. Einen pompösen Abgang will ich nicht", hatte Fischer vor einiger Zeit schon angekündigt. Gestern erklärte der Schmalkaldener nun den Rücktritt: "Die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen. Sie ist aber in den letzten Monaten gereift. Mittlerweile bin ich mir aber hundertprozentig sicher, dass es der richtige Zeitpunkt ist, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen."

Fischer sprach immer von der Einheit, die Körper und Geist bilden. Ist das nicht mehr der Fall, wollte er sofort aufhören. "Mein Körper hat noch genug Energie, doch geistig strebe ich nach etwas anderem", erzählt der 36 Jahre alte Familienvater. Künftig will er im ZDF die Leistungen jener Jungs analysieren, mit denen er bislang um Siege (33 im Weltcup) stritt und sogar baden ging (mit Michael Rösch nach dem Staffelgold in Turin). Ein wenig Wehmut ist da: "Wenn ich an die Mannschaft denke, tut es schon ein bisschen weh. Wir waren immer eine gute Truppe."

Doch so richtig glücklich war Fischer immer nur an der Seite seiner kleinen Familie. "Ich verbringe jede freie Minute mit meiner Freundin und unserer Tochter", sagte Fischer schon im Herbst 2006. Statt Scheiben nimmt er nun seine Hochzeit ins Visier: "Ja, ich habe Doreen einen Heiratsantrag gemacht." Ein eigenes Haus ist bereits in Planung. "Ich freue mich so sehr auf mehr Zeit zu Hause."

Vor 15 Jahren begann das "Leben als Vagabund", als er in den Auswahlkader der deutschen Skijäger rückte: mit Erfolg. Von jedem Großereignis brachte der Hobby-Jäger eine Medaille nach Hause - die letzte in diesem Jahr von der WM in Antholz (Staffel-Bronze). Seine große Karriere krönte der "Fisch", wie er genannt wird, im vergangenen Jahr mit dem Sprint-Olympiasieg in Turin. "Aber jede Medaille ist etwas Besonderes und erzählt ihre Geschichte."

Wie viel Geld er in den Jahren mit zunehmendem Medieninteresse im Biathlon verdient hat, weiß er nicht. Es ist ihm auch nicht wichtig. "Reichtum misst man nicht am Kontostand", sagt Fischer und handelt auch so. Er setzt sich für Nachwuchssportler ebenso ein, wie für Kranke und Behinderte. Er verschenkt schon mal eine Tonne Lachs im Wert von 35 000 Euro (in Oslo erhaltener Preis für seine sportlichen Leistungen) an Altersheime in Norwegen und Thüringen. "Gesundheit ist so ein hohes Gut. Das weiß ich sehr zu schätzen. ich hatte ja auch einige Rückschläge zu verkraften." Beinahe wäre Fischers Karriere beendet gewesen, ehe sie richtig begonnen hatte. Ein Knorpelschaden hatten den jungen Oberhofer 1989 ein Jahr lang ausgebremst. Nur der Überredungskunst von Bundestrainer Frank Ullrich ist es zu verdanken, dass er nicht aufhörte. Fast 20 Jahre später konnte er seinen "Leitwolf", der auch bei Eiseskälte immer ohne Handschuhe lief, nicht mehr überreden. "Sven muss niemandem etwas beweisen. Weder sich, noch anderen. Was er geleistet hat, ist phänomenal. Ihn nicht mehr zu haben, ein herber Verlust für uns, vor allem für die jungen Burschen, die eine Leitfigur verlieren", sagt der Bundestrainer.

"Leithammel bleibt er trotz des Rücktritts - jedenfalls in diesem Sommer in seiner Oberhofer Trainingsgruppe. "Ich mache 90 Prozent des Trainings weiter mit, muss ja abtrainieren", erklärt Asket Fischer. Außerdem ist Training für ihn "keine Quälerei, sondern Lebensqualität".

Von MICHAELA WIDDER